Wissen zu sichern bedeutet nicht einfach, ein paar Notizen in einem Ordner abzulegen oder ein Wiki aufzusetzen. Es geht darum, Erfahrungswerte, Abläufe und Zusammenhänge so festzuhalten, dass andere darauf aufbauen können – auch wenn die Person, die das Wissen mitbringt, das Unternehmen verlässt. Dabei stellt sich oft eine sensible, aber zentrale Frage: Wer „besitzt“ dieses Wissen eigentlich?
Natürlich bleibt fachliche Expertise immer individuell. Doch viele Informationen und Routinen entstehen in einem betrieblichen Kontext, entwickeln sich über Jahre und wirken über einzelne Personen hinaus. Die Herausforderung für Unternehmen ist also nicht, Wissen einzufordern, sondern Räume zu schaffen, in denen es gerne, sinnvoll und systematisch geteilt wird.
Wie genau das gelingen kann – und welche Rollen und Strukturen es dafür braucht – beleuchten wir in diesem dritten Teil.
Damit Wissenssicherung nicht im Tagesgeschäft untergeht, braucht sie eine klare Verankerung. Das bedeutet: Es muss Menschen geben, die das Thema mitdenken, begleiten und vorantreiben. Diese Verantwortung kann je nach Größe und Struktur des Unternehmens ganz unterschiedlich verteilt sein – wichtig ist nur, dass sie benannt und getragen wird.
In kleinen Unternehmen übernimmt diese Rolle oft die Geschäftsführung selbst oder eine zentrale Fachkraft. In mittleren Betrieben können auch Teamleitungen, digitale Beauftragte oder Personalverantwortliche Ankerpunkt sein. Entscheidend ist, dass diese Personen nicht alles selbst machen müssen, sondern die Koordination übernehmen: Wer weiß was? Wo liegt Wissen brach? Welche Übergaben stehen bevor? Welche Methoden passen zu uns?
Hilfreich ist ein kleines Rollenmodell, das aufzeigt, wie sich die Verantwortung verteilen lässt:
Niemand muss alleine für das gesamte Wissensmanagement zuständig sein. Aber jede Rolle kann einen Beitrag leisten, damit Wissen nicht nur in Köpfen bleibt, sondern im Unternehmen zirkuliert. Wichtig ist: Die Person braucht Rückhalt und Ressourcen – sonst bleibt Wissenssicherung ein Nebenprojekt, das immer hinten runterfällt.
Neben Strukturen und Methoden braucht Wissenssicherung vor allem eins: eine Unternehmenskultur, die das Teilen von Wissen nicht nur erlaubt, sondern ermutigt. In manchen Betrieben ist Wissen gleichbedeutend mit Job-Sicherheit – man ist unersetzlich, weil man als Einzige:r bestimmte Dinge weiß. Was auf den ersten Blick als Stärke erscheint, kann im Ernstfall zur Schwachstelle werden.
Eine lernbereite Unternehmenskultur erkennt genau das. Sie betrachtet Wissen nicht als persönliches Eigentum, sondern als Teil eines kollektiven Guts, ohne dabei die Leistungen einzelner zu schmälern. Das Teilen von Wissen wird wertgeschätzt, aktiv angesprochen und sichtbar gemacht. Wer anderen hilft, ihre Arbeit besser zu machen, wird nicht ausgebremst – sondern als Enabler gesehen.
Auch der Umgang mit Fehlern spielt eine Rolle: Wenn Rückschläge oder Irrwege offen besprochen werden dürfen, entsteht ein echtes Lernumfeld. Gerade in KMU, wo vieles auf Vertrauen basiert, ist das ein entscheidender Punkt. Es geht nicht darum, Wissen herauszugeben, sondern es weiterzugeben – mit Haltung, Kontext und offenem Dialog.
Wissenssicherung ist kein Sprint, sondern ein Marathon und sollte als solcher auch gedacht werden. Statt alles auf einmal umzusetzen, ist es klüger, mit kleinen, aber konsequenten Schritten zu starten.
Ein guter Einstieg ist ein konkreter Anlass: eine anstehende Verrentung, eine langjährige Kolleg:in, die in Elternzeit geht, oder ein besonders erfahrenes Team, das Wissen bündeln möchte. Solche Situationen bieten sich an, um erste Routinen zu entwickeln – etwa eine strukturierte Übergabe, ein Interview oder eine kleine Videoserie.
Wichtig ist auch, bestehende Prozesse zu nutzen: Onboarding-Gespräche, Jahresfeedbacks, Projektabschlüsse oder Teambesprechungen eignen sich hervorragend, um Wissen bewusst zu reflektieren und zu dokumentieren. Was lief gut? Was sollte man sich merken? Was muss beim nächsten Mal anders laufen?
Erfolge sollten sichtbar gemacht werden, etwa durch Zeiteinsparung bei Einarbeitungen, ein besser vorbereitetes neues Teammitglied oder ein digitales Handbuch, das im Alltag wirklich genutzt wird. Solche Beispiele motivieren, machen Wirkung greifbar und zeigen: Wissenssicherung lohnt sich.
Im finalen Teil der Serie werfen wir einen Blick nach vorn: Wie kann Künstliche Intelligenz helfen, Wissen leichter zu erfassen, zu speichern und zugänglich zu machen? Und was bedeutet das für die Praxis kleiner und mittlerer Unternehmen?