Lernen beginnt nicht erst im Seminarraum und endet längst nicht mit einem Zertifikat. Es beginnt oft viel leiser: mit einem Gedanken, einer Frage, einem „Könnten wir das mal anders machen?“. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen gilt: Kompetenzen entstehen oft nicht dort, wo man sie frontal vermittelt bekommt. Es passiert, wenn Menschen sich etwas zutrauen, einander zuhören, sich offen zeigen für Neues.
Im ersten Teil dieser Beitragsreihe haben wir uns damit beschäftigt, welche Future Skills in Zukunft entscheidend sein werden und warum es sich für KMU lohnt, gezielt auf diese Fähigkeiten zu setzen. In diesem zweiten Teil geht es um die Frage: Wie entsteht eigentlich so ein Lernraum mitten im Unternehmensalltag? Spoiler: Es geht dabei weniger um Tools und mehr um Vertrauen, Ermutigung und Kultur.
Die Realität in KMU sieht oft so aus: Es fehlt die Zeit für langwierige Schulungen, Budgets für externe Akademien sind knapp, und auf der Tagesordnung stehen vor allem operative Aufgaben. Weiterbildung rutscht da schnell auf die „wenn-wir-mal-Zeit-haben“-Liste. Und doch: Kompetenzentwicklung passiert auch ohne offizielle Maßnahme – wenn man sie zulässt.
Der Schlüssel liegt darin, Lernen als Teil des Arbeitsprozesses zu denken. Es geht nicht um mehr Aufwand, sondern um eine andere Haltung. Wer Lernen im Alltag verankert, braucht keine zusätzlichen Programme, sondern gezielte Gelegenheiten, kleine, wiederkehrende Situationen, in denen Mitarbeitende wachsen können.
Das kann so schlicht beginnen wie: Eine neue Aufgabe übernehmen – mit Rückendeckung. Eine Kollegin fragen, wie sie ein Problem gelöst hat – und daraus ableiten, wie man es selbst versuchen würde. Nach einer Projektbesprechung gemeinsam reflektieren: Was lief gut? Was würden wir nächstes Mal anders machen? All das sind Lernmomente und sie können wirkungsvoller sein als jede eintägige Schulung.
Bevor man Tools, Formate oder Methoden sucht, lohnt sich ein einfacher Schritt: Klarheit darüber, warum man überhaupt Lernen ermöglichen will. Nichtjede Kompetenz muss im eigenen Unternehmen bis ins Detail aufgebaut werden. Aber bestimmte Fähigkeiten, wie wir im ersten Beitrag gesehen haben – etwa digitale Schlüsselkompetenzen oder transformative Denkweisen – sollten im Alltag präsent sein, weil sie die Anschlussfähigkeit an neue Anforderungen sichern.
Ein kurzer Austausch im Führungsteam kann helfen: Welche Veränderungen kommen auf uns zu –technologisch, gesellschaftlich, personell? Welche Kompetenzen würden uns helfen, besser zu reagieren? Wo fehlt es uns nicht an Wissen, sondern an Zutrauen oder Übung? Diese Reflexion ist oft schon der erste Lernimpuls. Denn sie lenkt den Blick weg von Defiziten einzelner Personen und hin zu strategischen Entwicklungsthemen.
Auch wenn keine Praxisbeispiele gewünscht sind, lässt sich sagen: Es gibt wiederkehrende Prinzipien, die sich in KMU als besonders wirksam erwiesen haben, unabhängig von Branche oder Größe. Zum Beispiel:
All das braucht nicht viel Budget, sondern bewusste Freiräume und vor allem: eine Kultur, die Lernen erlaubt. Und genau hier liegt oft der entscheidende Hebel.
Was hindert Menschen eigentlich am Lernen? Es ist nicht immer der fehlende Wille. Viel häufiger ist es die Angst, Fehler zu machen, sich zu blamieren oder sich eingestehen zu müssen, etwas noch nicht zu können. Deshalb ist Vertrauen zentral: In KMU, wo Teams oft eng zusammenarbeiten, kann eine positive Lernkultur besonders schnell wirksam werden, wenn sie von jeder Unternehmensebene getragen wird. Eine Führungskraft, die offen sagt: „Ich habe letzte Woche etwas ausprobiert und bin grandios gescheitert, aber ich habe dabei viel gelernt“, gibt die Erlaubnis, es selbst zu tun.
Lernkultur zeigt sich nicht in Postern oder Schulungskatalogen, sondern in alltäglichen Gesten: Wird es begrüßt, wenn jemand Fragen stellt? Dürfen Fehler angesprochen werden – und führen sie zu Erkenntnissen? Gibt es Räume für Austausch, Reflexion und Feedback – ohne Bewertung? Je selbstverständlicher diese Dynamiken sind, desto leichter fällt es, Future Skills nicht nur zu lernen, sondern wirklich zu leben.
Viele Unternehmen haben schon Lernprojekte angestoßen und dann wieder aus dem Blick verloren. Das ist normal. Lernkultur entsteht nicht über Nacht. Wichtig ist: Dranbleiben. Routinen entwickeln. Und den Fokus nicht verlieren.
Ein guter Einstieg ist ein kleiner, fester Rahmen, etwa ein wöchentlicher Austausch zu neuen Erkenntnissen im Team („Was habe ich diese Woche gelernt?“) oder eine monatliche Feedbackrunde zu laufenden Experimenten. Auch hilfreich: Interne Lernverantwortliche, nicht als offizielle Weiterbildungsbeauftragte, sondern als Lernbotschafter:innen im Team. Menschen, die andere ermutigen, neue Dinge auszuprobieren, und kleine Impulse geben können.
Denn am Ende geht es nicht darum, alle zu Weiterbildungsexpert:innen zu machen, sondern darum, Lernen als Teil des Arbeitsalltags zuverstehen. Als etwas, das mitläuft – wie das Kaffeekochen, das Projektmanagement oder der Austausch auf dem Flur.
Lernräume müssen nicht groß, teuer oder perfekt sein. Sie müssen nur echt sein. Zukunftskompetenzen wachsen dort, wo Menschen sich sicher fühlen, Neues ausprobieren dürfen und gemeinsam nachdenken. Genau das können KMU, oft besser als ihnen selbst bewusst ist.
Also: Nicht auf die nächste Schulung warten. Sondern heute damit anfangen, eine Frage mehr zu stellen. Einen Kollegen einzubeziehen. Ein kleines Risiko einzugehen. Oder kurzinnezuhalten und sich zu fragen: Was habe ich heute gelernt?
📬 Noch nicht genug von Future Skills? Dann lohnt sich ein Blick zurück in Teil I dieser Reihe.