Erfahrung, die geht. Wissen, das verschwindet. Und Unternehmen, die oft zu spät merken, was sie verloren haben. Diese Serie richtet sich an alle, die in kleinen und mittleren Unternehmen Verantwortung tragen – für Teams, für Prozesse oder für die Zukunftsfähigkeit ihres Betriebs.
Denn der demografische Wandel ist längst keine abstrakte Statistik mehr. Er trifft die Wirtschaft im Alltag: Menschen scheiden aus dem Berufsleben aus – und mit ihnen jahrzehntelang gewachsenes Know-how. Wer jetzt nicht handelt, riskiert nicht nur Produktivität, sondern auch Identität und Innovationskraft.
Unsere Serie beleuchtet die wichtigsten Aspekte rund um Wissenssicherung und -weitergabe:
Ziel ist kein Hochglanz-Konzept, sondern praxisnahe Impulse – damit Wissen bleibt, wo es gebraucht wird: im Unternehmen.
Langjährige Mitarbeiter:innen verlassen in den nächsten Jahren schrittweise ihre Betriebe – nicht nur in der Produktion, sondern in allen Bereichen: Verwaltung, Vertrieb, IT, Personal, Projektmanagement oder Kundenservice. Damit verlieren Unternehmen nicht nur Menschen, sondern auch Wissen. Und zwar nicht nur dokumentierte Prozesse, sondern vor allem gelebte Erfahrung, Zusammenhänge, Routinen und Einschätzungen, die oft nirgendwo festgehalten sind.
Besonders betroffen sind kleine und mittlere Unternehmen, in denen viel über persönliche Netzwerke und individuelle Erfahrung funktioniert. Während die Nachfolge häufig schwer zu organisieren ist, bleibt eine zweite Frage oft unbeantwortet: Wie kann das Wissen, das den Betrieb seit Jahren trägt, erhalten bleiben?
Rund 13 Millionen Erwerbstätige erreichen laut Statistischem Bundesamt bis 2036 das gesetzliche Rentenalter.1 Ein großer Teil davon arbeitet in kleinen und mittleren Unternehmen. Die Generation der Babyboomer verlässt den Arbeitsmarkt – und nimmt Wissen mit, das über Jahrzehnte gewachsen ist. Dabei geht es nicht nur um Fachwissen, sondern auch um Verständnis für interne Zusammenhänge, informelle Abläufe und Routinen, persönliche Kundenbeziehungen und Erfahrung im Umgang mit spezifischen Situationen oder Technologien.
Die Auswirkungen zeigen sich meist nicht sofort. Sie entstehen schleichend: ein holpriger Projektstart, eine länger dauernde Einarbeitung, wiederkehrende Rückfragen oder der Verlust eingespielter Abläufe. Besonders problematisch ist, dass viele Unternehmen nicht wissen, welches Wissen überhaupt verloren zu gehen droht – bis es zu spät ist.
Wissenslücken entstehen nicht nur in Fachabteilungen oder Führungspositionen. Sie betreffen nahezu alle Arbeitsbereiche und Hierarchiestufen – unabhängig von Branche, Ausbildung oder Erfahrung. Oft ist es gerade die Kombination aus Routine, Beziehung, Praxiswissen und unternehmenskultureller Prägung, die schwer ersetzbar ist.
Hier ein paar beispielhafte Situationen, wie sie täglich in kleinen und mittleren Unternehmen vorkommen können:
Diese Beispiele zeigen: Die stille Wissenslücke kann überall entstehen. Besonders dann, wenn Routinen, soziale Kompetenzen, Erfahrungswerte und persönliche Verantwortung zusammen kommen. Das macht die Weitergabe umso komplexer – und umso wichtiger.
In jedem Unternehmen existieren zwei Arten von Wissen: explizites und implizites. Explizites Wissen ist greifbar – es steht in Handbüchern, Prozessdokumentationen, Checklisten oder Schulungsunterlagen. Es lässt sich relativ einfach weitergeben, aktualisieren oder digitalisieren. Anders ist es beim impliziten Wissen. Es ist: erfahrungsbasiert, oft nicht formell erfasst, an einzelne Personen gebunden, in Gewohnheiten, Einschätzungen und Handlungen eingebettet und schwer zu verbalisieren.
Implizites Wissen ist das, was Mitarbeiter:innen im Laufe ihrer Tätigkeit entwickeln: eine gute Einschätzung für schwierige Kund:innen, ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt bei Angeboten, ein Gespür für technische Störungen, das aus Geräuschen oder Gerüchen abgeleitet wird. Es entsteht im Alltag, durch Erfahrung, durch Wiederholung – und bleibt häufig unausgesprochen.
Besonders in KMU, wo Prozesse nicht immer standardisiert sind, spielt dieses implizite Wissen eine zentrale Rolle für den reibungslosen Ablauf. Doch genau deshalb ist es auch so verletzlich: Geht eine Person, ohne dass ihr Wissen übertragen wurde, entsteht eine Lücke, die sich nicht durch eine Datei oder eine kurze Übergabe schließen lässt. Die Herausforderung besteht also nicht nur darin, Wissen zu dokumentieren, sondern Wege zu finden, wie dieses implizite Wissen überhaupt erkannt, reflektiert und weitergegeben werden kann – idealerweise im persönlichen Austausch, durch Mitlaufen, Begleiten, Erklären, aber auch durch digitale Formate, die Wissen sichtbar machen.
Die Herausforderungen sind absehbar, und es ist kein radikaler Umbau notwendig, um Wissensverluste zu vermeiden. Aber es braucht Aufmerksamkeit, Struktur und rechtzeitige Planung. Denn Wissen lässt sich nicht auf Knopfdruck übertragen. Was es braucht sind frühzeitige Gespräche mit Mitarbeiter:innen strukturiertes Erfassen von Wissensträger:innen und deren Themen, passende Formen der Weitergabe, z.B. in Tandemmodellen, Mentoring oder gezielter Dokumentation sowie digitale Hilfsmittel zur Sicherung, Strukturierung und Verfügbarkeit von Wissen.
Dazu müssen weder große Budgets noch umfassende IT-Projekte gestartet werden. Oft reichen schon kleine, aber gezielte Schritte – vorausgesetzt, sie beginnen frühzeitig. Der Schlüssel liegt dabei nicht in der Technik allein, sondern im Zusammenspiel von Haltung, Struktur und Kommunikation.
Du möchtest herausfinden, wie es in Deinem Unternehmen um das Thema Wissenssicherung steht?
Sprich uns an – wir unterstützen gerne dabei, den nächsten Schritt zu gehen.
In Teil 2 der Serie zeigen wir, wie Unternehmen Wissen konkret sichern und weitergeben können – analog und digital. Im Fokus stehen einfache und praktikable Methoden: von der Tandem-Einarbeitung bis zur strukturierten Wissensdokumentation, von der digitalen Wissensdatenbank bis zur lernenden Organisation.
1 Statistische Bundesamt (2022): Pressemitteilung Nr. 330, Link hier.